Vor allem soziale Risiken wie Einkommenslosigkeit, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit gilt es abzusichern.
Da Gesellschaft und Umwelt sich in stetigem Wandel befinden, ändern sich diese Risiken, aber auch die Möglichkeiten darauf zu reagieren.
Egal ob bei Fragen zur Erwerbsminderung, rehabilitativen Leistungen oder Einschätzung des Grades der Behinderung – in vielen sozialrechtlichen Verfahren geht es nicht ohne Gutachten.
Sie sind eine maßgebliche Grundlage der Entscheidung über die beantragten Sozial- und Versicherungsleistungen. Für Betroffene ist daher höchst relevant, wie ihre Anliegen begutachtet werden. Sachverständige tragen eine hohe Verantwortung. Um dieser gerecht zu werden, müssen sie über fundiertes Wissen aus dem jeweiligen Bereich verfügen.
Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sind psychische Krankheiten die häufigste Ursache für eine Berufs- und Erwerbsunfähigkeit.
Die Zahl der Krankheitstage aufgrund von psychischen Erkrankungen haben seit dem Jahr 2008 um 67,5 % zugenommen. Dass dieser Trend abnimmt, ist nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist sogar mit einem weiteren Anstieg der psychischen Erkrankungen zu rechnen.
Ein rein störungs- und defizitorientierter Fokus bei diesen Erkrankungen im sozialrechtlichen Verfahren greift zu kurz. Es ist wichtig, die komplexen Zusammenhänge zwischen Art und Auswirkungen psychischer Beeinträchtigungen zu verstehen.
Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen sind genau zu betrachten. Außerdem müssen Umstellungs- und Anpassungsleistungen beurteilt werden.
Um Fehleinschätzungen zu vermeiden und die richtigen Leistungen zuzusprechen, bedarf es nicht zuletzt der Validierung, also der Überprüfung der Authentizität von Beschwerdenschilderung und Symptompräsentation. Hierbei handelt es sich um genuin psychologische Arbeitsfelder.
Diese Entwicklungen sind allerdings in Praxis und in der teilweise veralteten Sozialgesetzgebung unzureichend berücksichtigt. Um der steigenden Komplexität und Quantität der sozialrechtlichen Begutachtung nachhaltig zu begegnen und ganzheitliche Beurteilungen zu gewährleisten, bedarf es mehr und vor allem spezifisch ausgebildete Sachverständige.
In der deutschen Gesetzgebung finden sich zahlreiche Paragrafen, in denen Aspekte der Begutachtung ausschließlich auf medizinische Belange festgelegt werden. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), im Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder auch in den Büchern des Sozialgesetzbuches (SGB) werden zum Beispiel nur Ärzte, Krankenhäuser oder Krankenanstalten genannt, die Gutachten erstellen bzw. Daten zur Begutachtung beitragen dürfen.
Damit wird die wichtige und in vielen Fällen elementar notwendige psychologische Expertise ausgeklammert. Auch die spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse anderer Professionen (z.B. aus dem Pflegebereich oder der Sozial- und Heilpädagogik) finden keine Berücksichtigung. Das muss sich ändern.
Nutzen wir jetzt die Chance, eine Modernisierung der Gesetze herbeizuführen und so die Qualität von Gutachten in sozialrechtlichen Angelegenheiten zu verbessern.